Eine Reise ohne Hindernisse wäre doch langweilig, oder?

Die letzte Nacht habe ich in meinem alten Zimmer bei meinen Eltern verbracht. Ich wollte keinen Stress haben, wenn mein neuer Lebensabschnitt anfing. Aber leider schlief ich so schlecht, dass ich heute morgen mit verquollenen Augen aufwachte und mich fühlte, als hätte ein Elefant auf meinem Kopf gesessen… So sah ich auch aus.

Der Weg zum Flughafen war ein Wechselbad der Gefühle und ein Sinnbild für die Zeit die hinter mir lag. All diese Hochs und Tiefs im Wechsel von wenigen Stunden bis hin zu Minuten. Ich kann das nun endlich hinter mir lassen und das Beste daran: Ich hab keine Ahnung was mich jetzt erwartet! Barcelona ist für mich ein Lebenstraum. Diese Stadt hat mich vor 13 Jahren verzaubert und hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Während ich zum Baggage Drop Off laufe ist mein Kopf voll mit Fragen und positiven Erwartungen und Hoffnungen. Meine Gedanken werden jäh unterbrochen, als mich ein Promoter anspricht, um mir eine neue Kreditkarte anzudrehen. Unangenehme Situation für uns beide. Er ist offensichtlich neu in seinem Job und sieht aus, als hätte er gerade seinen Schulabschluss hinter sich. Aber der Junge tat mir leid, da sein Chef ihn mit Argusaugen überwachte und ihm deutlich machte, an mir dran zubleiben. Eigentlich hatte ich keine Zeit für sowas, dachte ich mir innerlich, während er mir die Vorzüge der kostenlosen Möglichkeit weltweit Geld abzuheben aufzählte, was für eine Reisende Cosmopolitin wie mich, (ja, hat er wirklich gesagt) geradezu unverzichtbar sei. Recht hatte er. Daher besaß ich natürlich bereits eine solche Kreditkarte. Nach ca. zehn Minuten absoluter Vergeudung meiner Lebens- und Reisezeit aufgrund eines lästigen Anfalls von Mitgefühl, wies ich die Herrschaften dann doch etwas schroffer als gewollt zurück und mach mich eilig auf den Weg zu den gelben Schaltern.

Mein Stresslevel ist immer noch ungewöhnlich hoch. Normalerweise bin ich nie so aufgeregt, wenn ich verreise. Und ich bin auch nicht zum ersten Mal alleine unterwegs. Aber zum ersten Mal bin ich für so lange Zeit weg. So lange alleine weg. Und zum ersten Mal wartet auch niemand am Ziel auf mich. Zumindest niemand den ich kenne. Zum ersten Mal werde ich mir eine Wohnung mit völlig fremden Menschen in einer fremden Stadt teilen. Wie die wohl sind? Was sie wohl hier machen? Was zum Teufel dauerte da vorne eigentlich schon wieder so lange???!!! Sicherheitskontrollen sind ein Graus für mich. Vor allem, wenn vor einem ein Rentnertrupp nicht ganz versteht, dass man die Flüssigkeiten und Elektronikartikel aus dem Handgepäck nehmen muss. Der faszinierend träge Kontrolleur macht das ganze nicht besser. Mit der Geschwindigkeit eines animierten Faultiers aus einem bekannten Kinderfilm reicht…. er…. mir… einen Plastikkorb für meine Sachen. Ich muss mich ernsthaft zusammenreißen ihm das Ding nicht aus der Hand zu reißen und einmal gegen den Kopf zu werfen. Ein Herr hinter mir erkennt meinen Unmut und meint trocken: „Schnelligkeit ist hier kein Einstellungskriterium, warum auch? Ist ja nur ein Flughafen.“ und zwinkert. Ich schmunzle. Naja. Ich ergebe mich meinem Schicksal und nutze die Verzögerung, um Kraft zu tanken, für meinen geplanten Kurzsprint zum Gate A36…. Einfach ganz hinten… Ich verdrehe bei diesem Gedanken kurz die Augen. Egal! Nicht stressen lassen!

Ich nehme mein Handgepäck vom Band und mache mich im Stechschritt auf zum Gate A36, dabei nutze ich den Windschatten eines rasenden Geschäftsmannes, der offensichtlich den gleichen Weg hat und es scheinbar noch eiliger hat als ich. Eigentlich habe ich ja auch noch Zeit. Aber ich will mich erst am Gate entspannen. Dort angekommen bin ich schockiert. Das Gate ist leer. Warum ist hier niemand? In meiner App steht nicht! Eine Email habe ich nicht bekommen! Ich schaue auf die Anzeigetafel. Das Gate wurde gewechselt…. A14…. Im Ernst???!!Ich drehe mich auf dem Absatz um und hinterlasse meiner Familie eine wütende Sprachmemo während ich inzwischen schweißgebadet und knapp in der Zeit den ganzen Weg zurück hechte. So hatte ich mir den Anfang meiner Reise nicht vorgestellt. So stressig.

Endlich am richtigen Gate angekommen stehen die anderen Fluggäste bereits in einer endlos scheinenden Schlange zum Einsteigen bereit. Das Boarding hat aber noch nicht begonnen. In diesem Moment setzt sich mein Vielfliegergen wieder durch und ich beruhige mich schlagartig. Entspannt setze ich mich erst einmal hin. Als ob ich mich nach diesem Run da ewig anstelle? Hell No!
Während ich dort sitze und auf das Boarding warte, weicht meine Aufregung wieder der Vorfreude. Endlich konnte es losgehen. Das Schlimmste war geschafft, oder?

Im Flugzeug hatte ich mir natürlich einen Fensterplatz reserviert. Ich schaute einfach so gerne aus dem Fenster, ganz besonders üüüber den Wolken, la la la la…
Der Flug verging im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug und mein innerer Organisator wurde wieder wach. Ich musste Amy, der Vermieterin bescheid geben, ich brauchte die genaue Adresse, ein Taxi und ich musste mich schon einmal auf Taschendiebe in der Innenstadt einstellen.
Mein Koffer war einer der ersten und ich machte mich zügig auf zum Taxistand. Ein paar junge Leute grölten vorne in der Warteschlange. Ein dringendes Bedürfnis meine Handtasche enger an mich zu drücken überkam mich. Das wird mich noch häufiger passieren, denke ich. Ich stieg ins Taxi und wir fuhren los. Draußen war es bereits dunkel, aber es schien nicht kalt zu sein, obwohl es natürlich auch hier noch Winter war. Das Taxi kam mir vor wie das gemütlichste Taxi der Welt und während die Lichter der Stadt an mir vorbei zogen, übermannte mich eine unglaubliche Müdigkeit, eine monotone, katalanische Talkshow im Radio, in der über einen Maskottchen Friedhof gesprochen wurde (mehr konnte ich nicht verstehen) tat ihr übriges.
Ich würde wohl gleich ins Bett fallen. Plötzlich hielten wir mitten auf der Kreuzung an einer Polizeisperre. Mist. Wieder ein unnötiges Hindernis. Wir mussten einen Umweg fahren und der Taxifahrer konnte mich so nicht bis vor die Haustür fahren, sondern musste mich gegenüber an den Ramblas rauslassen. Was für mich bedeutete ich musste ein Stückchen laufen. Mit zwei Koffern, meiner Handtasche, als offensichtlicher Touri, nachts über die Ramblas. Bevor es losging, gab mir mein Taxifahrer noch ein paar Antidiebstahl Tipps und deutete bereits auf ein paar dubiose Gestalten auf meiner Laufstrecke, die ihm verdächtig erschienen. Ich fixierte die Verdächtigen und wir vereinbarten meine Route. Ein kurzer väterlicher Händedruck und ich lief los. Die Verdächtigen immer im Blick und die Handtasche fest am Körper. Geschafft! Ich klingelte. Eine männliche Stimme ging ran und öffnete mir die blaue Eingangstür.

Das Treppenhaus des Gebäudes war dunkel und verwinkelt. Man konnte sehen, dass es bereits in die Jahre gekommen war. Kein Wunder Barcelona ist eine der ältesten Städte der Welt und ist bereits über 2000 Jahre alt. So alt war dieses Gebäude nicht. Aber schon eher älter. Die Stufen selbst versetzen mir einen kleinen Schlag. Unfassbar schmal. Unfassbar hoch. Wie sollte ich da alleine mit meinem Gepäck hochkommen??? Naja. Selbst ist die Frau! Den Sport für heute hatte ich spätestens danach erledigt. Auf halber Strecke kam mir die männliche Stimme in Flip Flops entgegen. Schmunzelnd fragte er auf Spanisch:“ Brauchst du Hilfe?“ Nein, du Held. Sehe ich etwa so aus, dachte die zeternde und unter dem Gewicht der Koffer ächzende Person in mir. Ich antwortete aber so freundlich ich konnte:“ Ja, bitte!“ Santiago trug nun also meine beiden Koffer nach oben und ich musste nun nur noch die Stufen an sich bewältigen. Oben angekommen verfrachteten wir die Koffer erst einmal in mein Zimmer. Danach zeigte er mir die Wohnung. Es war genauso wie ich es mir vorgestellt hatte. Etwas verwinkelter. Überall Fenster zu den Innenhöfen. Es gab zwei davon. Alles war mit dunklen und weißen rustikalen Holzmöbeln dekoriert. Es gefiel mir.
Dann die nächste Ernüchterung. Es gab keine frische Bettwäsche für mich. Die sollte heute morgen eigentlich per Lieferdienst gekommen sein. Aber Santiago meinte es habe heute niemand geklingelt. Nach einem kurzen Gespräch mit Amy und tausend Entschuldigungen später kam ein anderer Bote mit Himbeerfarbener geblümter Bettwäsche. Hässlich… Aber frisch! Ich bezog mein Bett frisch und lag nun erst einmal Probe. Es war so weich, dass ich am liebsten sofort eingeschlafen wäre. Ich entschied noch gemütlich bei etwas Musik meinen Koffer auszupacken und eine heiße Dusche zu nehmen und danach direkt ins Bett zu gehen. Und das Tat ich dann auch. Als ich mich hinlegte begann es zu regnen. Das schönste Geräusch der Welt zum einschlafen an einem Tag wie diesen. Was sollte ich morgen als erstes machen? Das überlege ich mir morgen spontan…

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