Manchmal wird man im Leben mit Situationen konfrontiert, auf die unsere Mutter uns nicht vorbereitet hat. Wir kennen Tipps wie: Pass im Club immer auf dein Glas auf. Triff dich für das erste Date an einem öffentlichen Ort. Achte darauf, wie er die Kellner behandelt, und so weiter. Wie aber reagiert man, wenn man von einem mutmaßlich befreundeten Pärchen unerwartet sexuelle Angebote erhält?
Lehnt man freundlich ab? Rennt man schleunigst weg? Oder ignoriert man die Anfrage diskret? Manch einer würde sich sogar geschmeichelt fühlen oder gar auf das Angebot eingehen. Ein richtig oder falsch gibt es vermutlich nicht und ist wohl auch je nach Situation zu entscheiden. Denn auch darauf muss sich der Millennial beim Daten scheinbar einstellen. Der mysteriöse Dreier. Viele (v.a. Männer) wünschen ihn sich, einige behaupten sie hätten ihn schon gehabt (obwohl das nicht stimmt, aber man(n) will ja cool und offen sein), wie viele ihn jedoch tatsächlich bereits erlebt haben, bleibt fraglich.
Für mich war die Situation mit diesem konkreten Pärchen zunächst von Konfusion geprägt, verlief über Ekel und endete schließlich in Ignoranz. Sie sind beide Anwälte in renommierten Kanzleien und vermutlich auch deswegen sehr hartnäckig und akzeptieren kein einfaches nein. Ist ja alles Auslegungssache.
Das erste Mal passierte es auf einem Oktoberfest vor einigen Jahren. Die beiden hatten meine Schwester und mich eingeladen mit ihnen und anderen Freunden etwas zu feiern. Wieso auch nicht? Deutsche Volksfeste sind lustig und ich kannte sie schließlich schon seit Jahren aus dem gemeinsamen Studium. Und die Juristenszene in Frankfurt ist klein. Man kannte sich. Ich dachte also ich wüsste, was mich erwartet. Ich wusste es nicht.
Das Bier floss, die Stimmung war großartig und man schunkelte auf den Bänken. Wie man es eben gewohnt war. Nachdem mir meine Schwester aber mitgeteilt hatte, dass einer der Anwälte, der zudem doppelt so alt war, sie ständig anbaggerte entschieden wir, dass es Zeit war zu gehen. Meine Freunde versuchten mich zum Bleiben zu bewegen und ich ließ mich überreden noch eine halbe Stunde zu warten. Diese halbe Stunde nutzte der Freund, um mich an sich heranzuziehen und unaufgefordert einen Kuss aufzudrücken. Ich war entsetzt und drehte mich zu meiner Freundin um, um mich zu entschuldigen nur um festzustellen, dass sie mich verschmitzt anlächelte, die Schultern hochzog und sich an mich drückte. What the fuck? Was passierte hier? Ich erstarrte für eine Minute, während die beiden sich an meine Hüften hingen und mich merkwürdig ansahen. Jap, das war ’s. Ich bin raus! Ich rief meine Schwester, sprang von der Bank und wir flüchteten.
Ich schob das Verhalten der beiden auf den Alkohol und die schlechte Luft im Festzelt, Sauerstoffmangel schlägt schließlich aufs Gemüt, weshalb ich die Einladung zu ihrer alljährlichen „Rooftop-Party“ einige Monate später annahm. Wieder bestand die „Gästeliste“ überwiegend aus Anwälten und anderen Juristen und der Altersdurchschnitt lag bei etwa 38. Es wird ja wohl auf so einer „Erwachsenen-Party“ gesitteter zugehen, als in einem Bierzelt, oder? Nein. Nein, geht es nicht. Die ersten zwei Stunden vielleicht, aber danach verfallen auch „ältere“ Menschen wieder in ihre alten Muster. Man wird genauso „diskret“ angemacht wie in einem Bierzelt. Irgendwann wurde es mir zu viel und ich entschied zu gehen. Die Gastgeber versuchen erneut mich zum Bleiben zu bewegen, aber da ich darauf beharrte gehen zu müssen, zogen sie mich zum Abschied viel zu eng an sich heran, drückten mir viel zu mundnah einen Kuss auf, und teilten mir mit, dass sie sich freuen würden, wenn ich noch etwas bleiben würde. Oh, hell no! Ich lehnte verunsichert ab und gab an morgen früh raus zu müssen. Was natürlich gelogen war, aber was blieb mir übrig? Ich wusste nicht, ob ich ihr Verhalten richtig interpretiert hatte und sie wirklich einen Dreier mit mir wollten oder ob ich falsch lag und sie einfach nur komisch waren, wenn sie Alkohol tranken. Ich fühlte mich unwohl und irgendwie belästigt.
Naja, erneut tat ich das Ereignis als alkoholbedingt ab. Ich hatte sowieso die Tage erst ‚mal ein Date. Das verlief ganz gut. Wir spazierten durch den Park und unterhielten uns, als uns meine Freunde entgegenkamen. Awkward! Zumindest für mich. Ein kurzes Gespräch später und man verabschiedete sich wieder. Hoffentlich war das nicht so auffällig. Und dann am Abend eine Textnachricht von meiner Freundin. Fragen über das Date, „wie schön, dass dein Date gut lief! Schade, dass wir gestern nicht genug Zeit hatten um mal wieder zu reden.“ Ich spürte Erleichterung, war alles ein großes Missverständnis? Konnte ich bald wieder normal mit ihr einen Kaffee trinken? Ping! Neue Nachricht.

Ew. Nein. Auf gar keinen Fall! Wie, bitte, sollte ich darauf reagieren? Erleichtert, weil ich jetzt wusste, dass ich mich nicht getäuscht hatte? Geschmeichelt, weil sie sich für mich interessierten? Oder angeekelt? Auch, weil sie sich für mich interessierten. Ich horchte kurz in mich hinein. Letzteres. Es war definitiv Ekel. Denn nur, weil man auf einmal ungewollte Avancen im Doppelpack erhält, handelt es sich immer noch um ungewollte Avancen. Wird man von einer einzelnen Person ungewollt angemacht, findet man das schließlich auch nicht immer gut, im Gegenteil. Und, wenn es sich dabei auch noch um Freunde handelt, macht es das ganze nur noch unangenehmer.
„Danke, aber ich habe kein Interesse daran.“ Eindeutig und nicht ausfallend. Ich fand das eine gute Abfuhr. Und da ich daraufhin einige Wochen und Monate nichts weiter hörte außer gelegentlichen Antworten auf meine Instagram Story, dachte ich auch, das Thema sei damit beendet. Das war es nicht.
Denn als sie von meinen bestandenen Prüfungen erfuhren erhielt ich folgende Nachricht

Im Ernst, jetzt??? Was verstehen manche Menschen nicht an „Nein, ich habe kein Interesse.“ Ich bin zum einen schockiert und wütend und zum anderen belustigt. Als ob ich meinen Erfolg mit Leuten feiere, die mich belästigen. Ich entscheide mich die Avancen zu ignorieren. Am Ende hilft wohl doch nur das gute alte Ghosten.