10 Millennial Dating Phänomene und Probleme

Meine Großeltern lernten sich 1960 in Freiburg im Breisgau auf einer Tanzveranstaltung kennen. Er sah sie, forderte sie zum Tanzen auf und lud sie am nächsten Tag auf eine Tasse Kaffee ein, ein Jahr später waren sie verheiratet. So einfach war Dating vor 60 Jahren. Die Regeln waren in Stein gemeißelt. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, ist Ansichtssache. Aber es war jedenfalls einfach!

2019 sieht das Ganze etwas anders aus. Es warten ganz andere Probleme und Phänomene auf den Dating-bereiten Millennial-Single. Man geht nicht mehr auf Tanzveranstaltungen, sondern auf Festivals. Man lädt sich nicht mehr auf koffeinhaltige Heißgetränke ein, sondern trifft sich abends auf ein alkoholhaltiges Kaltgetränk. Und selbst, wenn der Abend gut gelaufen ist, wird man am nächsten Tag und auch die ganze nächste Woche online und offline ignoriert und erhält um 2 Uhr morgens lediglich eine Textnachricht vom Ex, der/die fragt „Was geht?“. Und wenn man sich dann doch entscheidet den anderen wiederzusehen, muss man damit rechnen, dass der/die auf Tinder und Co. noch eine ganze Reihe Alternativen zu dir am Start hat. Diese sind nur einige von den vielen Problemen, mit denen der Millennial-Single im Rahmen der einzelnen Dating Stufen konfrontiert ist.

1. Dating Apps

Es beginnt meistens hier. Online. Auf einer der vielen Dating Apps. Swipe links, swipe links, hm, der sieht okay aus, swipe rechts, Bam! Match! Man sitzt dabei auf der Couch, im Bett und manch einer auf dem Klo. Kein Rausgehen, Rausputzen oder sonstige Anstrengungen erforderlich. Niemand sieht, dass man sich seit drei Tagen die Haare nicht gewaschen hat oder sich die Beine seit Längerem nicht mehr rasiert hat, weil es draußen bereits kalt ist und kurze Klamotten nicht mehr erforderlich sind. Nein, die äußere Erscheinung wird durch das Dating Profil festgelegt. Mit Filtern und Facetune bearbeitete Fotos von der letzten Hochzeit, auf die man eingeladen wurde, weil man auf diesen Bildern natürlich besonders aufgebrezelt ist und die beste Version seiner Online-Selbst ist.

Als Nächstes folgt das Chatten… Oder das Dick-Pic… Je nachdem, ob es sich um ein geeignetes oder ungeeignetes Match handelt. Spätestens nach dem 5. Dick-Pic, denkt man darüber nach, ob es nicht doch eine bessere Idee wäre Frauen zu daten, weil die Aussicht auf derartig geformte männliche Geschlechtsorgane wirklich kein Grund zum Jubeln sind und gelegentlich Brechreiz auslösen. Erhält man kein Auberginen Emoji Foto, gilt es die zweite Hürde zu nehmen. Eine interessante Chatkonversation führen, die im besten Fall zu einem Offline Treffen führt. Je nach App ist es dabei erforderlich die Konversation selbst zu starten oder auf eine mehr oder weniger kreative Pick-up-Line zu antworten. Dabei ist erstaunlich wie eloquent manch einer hinter seinem Smartphone sein kann und wie wortkarg im wahren Leben. Häufig sitzt man dann einer ganz anderen Persönlichkeit gegenüber, als derjenigen mit der man zuvor tiefgründige Gespräche geführt hat und struggled nun damit auch nur einen vernünftigen Satz aus dieser Person zu bekommen. Aber na ja, die Weiten der Tinder Jagdgründe sind ja bekanntlich endlos und das nächste Match nur einen Right Swipe entfernt. Also sagen wir immer öfter gleich nach dem ersten Date: Thank You, next!

2. Cyberstalking

Schon bevor man sich das erste Mal im Real-Life getroffen hat, wird erst mal anhand des Namens, Wohnortes und Alters eine gründliche Cyber-Recherche durchgeführt. Nicht einmal bei den Recherchen für Hausarbeiten an der Uni gehen wir so gründlich vor. Step by Step werden alle Social-Media-Kanäle kontrolliert und nach weniger als einer Stunde wissen wir, dass das potenzielle Date im April letzten Jahres noch mit der Ex eine Italien Rundreise gemacht hat und letzte Woche eine Zahnbehandlung hatte und seine Tante einen kleinen Hund namens Vincent hat. Wir überraschen uns dabei jedes Mal auf neue mit unseren FBI-mäßigen Cyberstalking-Skills und sind insgeheim mehr als stolz auf diese Fähigkeit.

Enttäuschung entsteht, wenn man auch nach mehreren Stunden intensiven Googelns und Insta-searchens einfach zu keinem Ergebnis, oder zu dem Schluss kommen muss, dass der Typ die gesellschaftliche Frechheit besitzt, keine Social Media Accounts zu haben!!! Dieses Phänomen ist so selten, dass man bei einer erfolglosen Suche kurz einmal verzweifelt. Aber es scheint derzeit ein Comeback zu haben. Es ist in nicht auf Social Media vertreten zu sein. Aber was viele nicht sehen ist, dass man sie allein dadurch bereits in eine von zwei Kategorien einteilen kann. Den „Überhipster“, der einfach nur aus Prinzip jedem Trend ausweicht, um besonders cool zu sein und dabei eine Überheblichkeit an den Tag legen kann die unter Umständen noch abstoßender sein kann als jedes peinliche Selfie. Oder den „Bodenständigen Naiivling“, der sich tatsächlich nicht dafür interessiert, aber auch einen Großteil unserer Gesellschaft nicht versteht und auch kein Gespür dafür hat. Das ist zwar irgendwie süß, aber führt manchmal dazu, dass man das Gefühl hat, sich mit jemandem zu unterhalten, der 10 Jahre in der Vergangenheit lebt.

3. Drunk Texten und Booty Call

02:05 Uhr. Du liegst schon im Bett oder kommst gerade von der Party nach Hause. Da vibriert dein Handy. Textnachricht: „Hej/ Noch wach?/ Was geht?“ Ein Booty Call. Ein neues Phänomen, der Typ ist meistens sternhagelvoll und natürlich musste er dann gerade an dich denken, denn du bist die letzte mit der er geschrieben hat und deswegen ganz oben auf der Chatliste. Natürlich will er nicht mit dir bei einem Glas Rotwein über den Sinn des Lebens philosophieren, sondern sein Auberginen Emoji in dein Pfirsich-Emoji stecken. Sollte man sich aber dafür entscheiden dem Aufruf zu folgen, kann man sich auf eine große oder eher kleine und schlaffe Enttäuschung einstellen, denn Alkohol tut der Aubergine nicht gut und man kann sich doch wahrlich angenehmeres vorstellen, als eine Alkoholfahne ins Gesicht gehaucht zu bekommen und unter einer gestrandeten Robbe zu liegen. Daher gilt der Merksatz den einige von uns aus How I Met Your Mother kennen: Nach 2 Uhr morgens passiert nichts Gutes mehr. Bleib zu Hause!

02:05 Uhr. DU bist betrunken und auf einer Party. Da musst du an ihn/sie denken. Er antwortet zwar seit einer Weile nicht mehr, aber er wartet bestimmt nur darauf von dir zu hören. Er will, dass du die Initiative ergreifst, weil er einfach nur schüchtern ist und unsicher. Also tust du es. Du schreibst ihm: „Hey musste gerade an dich denken./ Ich vermisse dich.“ Wenn du Glück hast, sieht deine beste Freundin, was du gerade machst und stoppt dich rechtzeitig, wenn nicht, dann realisierst du am nächsten Morgen in deinem Bett mit einem dicken Kater, was du getan hast.

You drunk-texted, Girl! Als Nächstes folgt die Entscheidung, soll man schnell noch einmal schreiben und klarstellen, dass man einfach nur betrunken war oder soll man besser gar nichts mehr schreiben? Sehr häufig entscheidet man sich für erstere Variante. Vermutlich auch, weil man insgeheim hofft, dass er dann doch antwortet und wieder eine Konversation entsteht, aber was passiert? Genau. Nichts. Meistens kommt auch darauf nichts zurück. Oder nur ein passives LOL, OK, kein Ding oder Ähnliches. Denn was unser betrunkenes Ich immer wieder vergisst ist, dass wenn er uns behandelt, als ob wir ihm scheiß egal sind, dann können wir davon ausgehen, dass wir ihm scheiß egal sind. Das ist ernüchternd, aber wahr.

4. Existentielle Krisen

Sie haben oft BWL studiert oder eins von diesen Studienfächern von denen keiner weiß, was man nach dem Studium damit anfangen kann. Und dann sitzt man vor jemandem, der, wie du, Ende zwanzig, Anfang dreißig ist und entweder seinen Job hasst oder gar keinen hat. Denn was ein Millennial auf keinen Fall will, ist einen langweiligen Bürojob oder jeden Tag das Gleiche machen. Sie wollen reisen und die Welt sehen, weil alle anderen auch schon Work and Travel in Australien oder eine Backpacking Tour durch Thailand und Bali gemacht haben und sie denken sie könnten was verpassen. Außerdem wollen sie viel Geld verdienen. Am besten von der Couch aus oder so. Das ist die Idee. Und wie ich finde eine gute Idee, das Problem ist die Umsetzung. Wenn man fragt, wie sie das erreichen wollen, kommt häufig nur ein pauschales: Ich warte noch auf die richtige Idee. Aber die kommt schon noch. Aber wenn man dann ans Eingemachte geht und mal etwas konkreter nachfragt, stellt sich das meist nur als heiße Luft heraus.

Und jedes Date mit einem Millennial, der sich in dieser Krise befindet, läuft gleich ab. Er/Sie beschwert sich über seine/ihre Situation und wie ätzend alles ist und hört dir eigentlich gar nicht zu, wenn du redest. Sie sind so von ihren eigenen Problemen konsumiert, dass sie für die Bedürfnisse anderer gar keine Energie haben. Trifft dies auf ein Date zu, sollte man es schnell beenden, denn diese Leute sind sicher nett, aber definitiv kein Date-Material. Denn wenn sie erst einmal das Gefühl haben, dass man sie versteht und ihnen zuhört, tritt das nächste Phänomen auf. Sie werden zu emotionalen Ausbeutern!

5. Emotionale Ausbeuter

Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie all ihren emotionalen Ballast bei dir abladen, ohne dabei mit dir in einer Beziehung zu sein, oder zwar offiziell mit dir in einer Beziehung sind, dich aber in keinster Weise emotional unterstützen und überhaupt sehr passiv sind. Du musst sie auffangen, dir alles anhören, was sie schon wieder belastet, aber umgekehrt sind sie dazu nicht in der Lage. Es ist ihnen eigentlich auch egal. Denn emotionale Ausbeuter sind Egoisten. Wichtig ist, dass sie sich wohlfühlen. Und du tust ihnen gut. Du bist immer da, wenn sie dich rufen. Du bist zuverlässig und kümmerst dich um sie, komme, was wolle. Du stehst mit Rat und Tat allzeit bereit. Genau wie diese eine Frau in ihrem Leben, an die sie sich eigentlich wenden sollten. Wer war das noch mal? Ach ja, genau. Ihre Mutter. Gratuliere, du bist jetzt die Mutterfigur für einen 25- bis 35-Jährigen mit Quarterlife Crisis und Bindungsstörung! Wie fühlt sich das an? Anstrengend, auslaugend und von Schlafstörungen begleitet. Ja, so ist es, das Leben einer frisch gebackenen Mutter. Ist es also eine gute Idee sich auf einen emotionalen Ausbeuter einzulassen? Nein. Und um es mit den Worten der weisen Florence Given zu sagen:“ Stop raising him! He’s not your son! Hör auf ihn zu großzuziehen! Er ist nicht dein Sohn! „

6. Bindungsunfähigkeit und Benching

Die Millennial Volkskrankheit heißt Bindungsunfähigkeit. Man nennt unsere Generation sogar „Generation Beziehungsunfähig“. Wie oft standen wir vor jemandem, der uns mit diesem typischen Satz abspeist oder haben ihn selbst verwendet: „Ich mag dich wirklich gerne, du bist echt super und ich könnte mir schon vorstellen mit dir eine Beziehung zu führen, aber gerade kann ich das einfach nicht. Ich muss mich erst einmal um mich kümmern.“ Was ist hier passiert? Du wurdest oder hast jemanden gebenched. Zu deutsch: auf die lange Bank geschoben oder schlicht warmhalten. Wir haben diesen tollen Menschen kennengelernt, aber der Funke ist einfach nicht übergesprungen, dennoch wollen wir uns die Option offenhalten, auf diesen Menschen zurückzugreifen, weil wirklich allein sein wollen wir auch nicht. Mehrere Eisen, im Feuer zu haben, gibt uns ein Gefühl der Bestätigung, obwohl wir mit keinem dieser Menschen wirklich zusammen sind. Wir glauben, weil wir auf Instagram diese ganzen super verliebten Power Pärchen sehen, dass doch noch etwas Besseres vorbeikommen muss und Dating Apps liefern uns einen Pool an potenziellen Dates, auf den wir jederzeit zugreifen können. Wir machen uns dadurch selbst austauschbar, niemand ist für uns exklusiv und wir sind es auch für niemanden. Und, wenn man sich in dieser Situation befindet, sollte man da schleunigst raus. Denn, wenn man selbst gebenched wurde, kann man davon ausgehen, dass man auf dieser Bank nicht allein sitzt, sondern noch ein zwei andere Datingkandidaten des Gegenübers. Und wenn man jemanden gebenched hat, dann muss man sich ehrlich eingestehen, dass das unfair gegenüber dieser Person ist, weil man einfach nicht in sie verliebt ist und es vermutlich auch niemals sein wird. Wenn wir jemanden wirklich wollen, dann merken wir das und geben uns Mühe. Man muss es nur mal aussprechen.

7. Freundschaft Plus

Wir kennen es aus diversen Hollywood-Filmen. Man ist, eigentlich, nur befreundet und kommt eines Abends auf die verrückte Idee Casual Sex zu haben. Weil beide wollen ja nichts Ernstes und man versteht sich gut. Also warum nicht? Das Konzept hört sich zunächst gut an, aber man verkennt dabei, wie die Filme weitergehen. Einer der beiden verliebt sich in den anderen. Immer. In den Kinofilmen kommen die beiden natürlich am Ende zusammen und leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Nicht so im echten Leben. Hier verliebt sich der eine und der andere sagt dann: „Sorry, aber wir hatten doch vereinbart es sei nichts Ernstes.“ Und zack dem anderen wird das Herz gebrochen, weil er sich auf etwas eingelassen hat, das von Anfang an keine gute Idee war. Und dieses Phänomen fördert das Millennial Problem Beziehungsunfähigkeit. Denn wer wird schon eine Beziehung eingehen, wenn er Sex und Freundschaft haben kann ohne eine Verpflichtung eingehen zu müssen? Eben, niemand.

8. Orbiting

Ein neues Phänomen ist das sogenannte Orbiting. Es zeichnet sich dadurch aus, dass sich der andere nicht gar nicht mehr meldet, sondern in regelmäßigen Abständen ein Lebenszeichen von sich schickt. Er liked deine Instaposts, antwortet gelegentlich mit einem Emoji auf deine Story, lässt aber sonst nichts von sich hören. Und dann, eines Tages, nach mehreren Wochen oder gar Monaten, checkt er mal die Lage und schickt eine flirty Textnachricht. Vielleicht geht noch etwas mit dir. Häufig tritt dieses Dating Phänomen auf, wenn einer von beiden zwischenzeitlich in eine Beziehung kam. Und oft ist der Orbitende derjenige, der in einer Beziehung ist! Er ist meist gerade unzufrieden mit der eigenen und möchte entweder seinen Marktwert checken oder einfach nur herausfinden wie schnell er wieder eine am Start haben könnte.

9. Ghosting

Jeder kennt es. Jedem ist es schon einmal passiert. Und jeder hat es schon einmal gemacht. Einen Dating Prozess zu beenden war noch nie so einfach wie heute. Man ghosted den anderen einfach. Du erhältst eine Textnachricht von deinem aktuellen Date, aber hast einfach keine Lust mehr, warum auch immer. Also öffnest du die Nachricht, sodass bei ihm die kleinen blauen Häkchen erscheinen und schließt sie wieder. Du lässt ihn auf read. So einfach ist eine potenzielle Beziehung vorbei. Man muss sich nicht einmal mehr anständig trennen. Kein unangenehmes Gespräch, keine Auseinandersetzung, man löst sich einfach in Luft auf wie ein Geist. Bye Boy!

10. Chronische Dating – Erschöpfung

Und wenn man all diese Phasen einmal durchlaufen hat, fängt alles wieder von vorne an. Swipe links, Swipe rechts und Bing! Ein Match… Und jetzt? Wollte man das alles wirklich schon wieder durchmachen? Sich aufhübschen, rausgehen nur um am Ende geghostet zu werden??? Man kann stattdessen auch einfach zu Hause bleiben und Netflix gucken und dabei ein Nutella-Toast zu sich nehmen. Das ist jedenfalls herrlich gemütlich, unspektakulär und konnte auf keinen Fall enttäuschen. Und so fängt es an. Die chronische Dating-Erschöpfung. Die Enttäuschungen sammeln sich zu einer generellen Abneigung. Man bevorzugt seine Energien lieber gar nicht erst zu investieren, denn allein der Gedanke einer anderen Person gegenüberzusitzen und dasselbe Gespräch zum x-ten Mal zu führen, einem schon jegliche Lust und Interesse daran nimmt.

Meine Reaktion beim Gedanken an das nächste Date

Und trotzdem wagen wir uns immer wieder in den Millennial Dating Dschungel, denn eigentlich macht uns dieses Auf und Ab der Gefühle auch Spaß und ein bisschen Drama auf dem Weg hilft uns zu erkennen, welche Menschen wir dauerhaft in unserem Leben haben wollen und welche nicht.

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