Wanderung mit Höhen und Tiefen

Am Montagmorgen vor zwei Wochen dachte ich noch, mal sehen wie es meinen Gliedmaßen heute geht. Hoffentlich nicht wie am Vortag. Da war ich quasi bewegungsunfähig. Und das obwohl die Ursache für meinen Zustand bereits zwei Tage zurücklag. Und tatsächlich, ich konnte meine Füße fast wieder schmerzfrei auf dem Boden aufsetzen. Meine Waden waren noch schwer, aber aufstehen viel schon viel leichter. Insbesondere auch ohne den Kater vom Sonntag, den ich mir am Samstagabend durch zu viele Espresso Martinis zugezogen hatte. Absolutes Teufelszeug! Aber wenn man in so netter Gesellschaft in so einer coolen Location sitzt, dann verliert man einfach schnell den Überblick… Vor allem nach einem so aufregendem Tag.

Am Samstagmorgen wachte ich gemütlich auf und schaute auf mein Handy, auf dem mir die Uhrzeit 9:25 Uhr und darunter zwei Nachrichten von Fran anzeigte. Bestimmt noch von gestern. Lese ich später. Und dann fing es an zu klingeln. Was war denn jetzt los?

„Wir gehen heute alle zusammen nach Castelldefells wandern! Komm mit! Der Zug fährt um 10:17 Uhr ab!“ Ich hatte echt Lust zu gehen, aber wie um Himmelswillen sollte ich es in einer halben Stunde schaffen aufzustehen, mich fertig machen, auf eine sechsstündige Wanderung vorbereiten und zum Bahnhof kommen? Unmöglich! Fran, aber wollte unbedingt gehen und wenn ich hier liegen bleibe würde ich definitiv etwas verpassen, das hatte ich einfach im Gefühl… „Die Bahn hält auch am Passeig de Gracia“ sagte Fran auf der anderen Leitung. Alles klar das ist nicht so weit. Damit war es entschieden; ich hatte 30 Minuten Zeit um mich fertig zu machen, meinen Rucksack zu packen und die Wohnung zu verlassen. Challenge accepted! Ich wusste nicht wie genau ich es geschafft hatte, aber ich stelle mir vor wie ich in den Tasmanischen Teufel Modus gewechselt hatte und wie der tasmanische Teufel durch die Wohnung rase und dann zur Bahn. Ohne Make Up, aber komplett ausgestattet und frisch geduscht erreichte ich die Station Passeig de Gracia um viertel nach 10 und war die erste. Die anderen waren tatsächlich zu spät und hatten entschieden alle von dieser Station zu fahren aber eben erst 15 min später. Also hatte ich noch Zeit mir beim Bäcker einen Kaffee und einen Orangensaft zu holen. Nach und nach trudelten mir bekannte und ein paar unbekannte Gesichter ein.

Wir waren eine super Gruppe. Keiner war weinerlich… noch nicht…und die meisten hatten eine Ausstattung dabei mit der man auch 3 Tage am Stück hätte wandern gehen können. Viele von uns hatten jedoch auf der Route mehr asphaltierte Strecken erwartet und keine Wanderung durch die Wildnis wo man sich nahezu an Wänden hochziehen musste. Das überraschte mich etwas. Aber die Aussicht von den Bergen war traumhaft. Da ich meine Kamera dabei hatte fiel ich gelegentlich etwas zurück, weil ich damit beschäftigt war zu fotografieren. Aber das schien niemanden weiter zu stören. Im Gegenteil, die meisten waren froh darüber, weil sie so immer wieder Pausen einlegen mussten um auf mich zu warten. Was viele unterschätzt hatten war die Stärke der Sonne und das die karge spanische Landschaft kaum Schattenplätze bot. In den britischen Gesichtern meiner Freunde hinterließ dies zunehmend Spuren in diversen Rottönen. Am schlimmsten aber hatte es die Tschechin erwischt. Sie sah am Ende aus als hätte man sie gerade aus einem roten Farbeimer gezogen.

Da ich nicht gefrühstückt hatte, bekam ich bei unserer ersten Pause schon Hunger und verputzte meinen Proviant komplett. Das war nach 1 ½ Stunden und es lagen noch 4,5 Stunden Fußweg vor uns. Aber ich war optimistisch, da wir ja am Ende in einem Restaurant einkehren wollten und das doch zeitlich perfekt mit meinem nächsten Hunger aufgehen müsste, oder? Ich genoss den Tag sehr, die Sonne schien herrlich und durch den Wind spürte man keine unerträgliche Hitze. Was die tatsächliche Situation natürlich trübte. Man vergaß sehr schnell, dass man ohne Sonnenschutz den ganzen Tag ohne genug Nahrung in der prallen Sonne Hügel hinauf und hinunter kletterte und entsprechend auch einiges an Kalorien und Nährstoffe verbrannte. Als wir am Fuße des Berges ankamen, das Meer vor uns lag, die Brise unsere Haut abkühlte und wir vor einem wunderbaren Seafood Restaurant standen, wurde mir klar, ich war hungrig…. Sehr hungrig… Zu meiner und Daniels Enttäuschung (einer der Mitwanderer, dem es gerade sehr ähnlich ging wie mir und der genauso wie ich bereits erkannt hatte, dass wir vor einem hervorragenden Restaurant standen) hatten die anderen aus der Gruppe noch keinen Hunger und wollten zu einem bestimmten Restaurant am Strand, welches noch ein Stückchen entfernt zu sein schien. Naja, solange es danach auch etwas zu essen gab war ich zumindest zufrieden. Also liefen wir an der Strandpromenade entlang. 10 min… 15 min… 20 min… an unzähligen Restaurants vorbei, von denen mir nur eins optisch zusagte. So langsam wurde ich quengelig…. Wann kamen wir denn endlich an? Wo sollte dieses Lokal den sein? Meine Laune sank mit jedem Schritt ein bisschen mehr und dann sah ich es. Ein Restaurant namens Baracuda. Es lag am Strand und sah aus wie eine Holzhütte mit einer hölzernen Terrasse mit einer Lichterkette am Geländer, rustikal und gemütlich. Das musste es sein oder? Ja, die Gruppe bog ab! Sie liefen die Düne hinauf und… setzten sich in das Restaurant daneben…. Was nicht einmal ein richtiges Restaurant war, sondern offensichtlich ein moderner Möchtegern Beachclub. Alles in diesem Lokal widerstrebte mir und es war wirklich Tür an Tür mit dem Baracuda, wir mussten nur auf die andere Seite. Meine dezenten Hinweise das Lokal zu wechseln halfen nicht und die Gruppe bestellte sich Bier. Frances konnte den Frust in meinem Gesicht sehen und bot mir unentwegt ihre Snacks an, aber mir war nicht nach trockenem Brötchen oder Chips. Ich wollte was richtiges. Ich blickte rüber zum Baracuda, wo eine Familie gerade eine gigantische und köstlich aussehende Paella serviert bekam… Ich war unendlich neidisch und wurde regelrecht traurig bei dem Gedanken nicht auf der richtigen Seite der Terrasse zu sitzen. Als der Kellner vorbeikam bestellte ich mir erst einmal ein paar Tapas. Die würden sicherlich nicht so gut sein wie drüben, aber besser als nichts. Der Junge nahm die Bestellung auf und verschwand. Meine Stimmung hob sich, bei dem Gedanken an die baldige Nahrungsaufnahme. Und dann kam er mit den Bieren zurück und einer Nachricht für mich. Die Küche war schon geschlossen. Es gab noch Oliven. Das war´s…. Ich fühlte mich als hätte mir gerade jemand in den Bauch geboxt und gleichzeitig eine Todesbotschaft überbracht. Das war zu viel für mich. Mit Tränen in den Augen verabschiedete ich mich abrupt und vermutlich für alle beteiligten etwas abrupt, packte meine Sachen und ging. Der Kellner war völlig verwirrt und entschuldigte sich tausend Mal, aber Entschuldigungen kann man nun mal nicht essen. Was die anderen nun dachten war mir reichlich egal, ich hatte mein Ziel nun klar vor Augen. Die Terrasse auf der anderen Seite. Als ich drüben Platz nahm konnte ich die Tränen der emotionalen Unterzuckerung nicht mehr zurückhalten. Aber als der Kellner im Baracuda mir besorgt die Karte in die Hand drückte und fragte ob ich schon etwas zu trinken haben wollte beruhigte ich mich langsam. Er wies mich lediglich darauf hin, dass es etwa zwanzig Minuten dauern würde bis das Essen fertig sei. Ganz egal so lange es kam war alles bestens. Als es mir mein Wasser brachte und ich drei verschiedene Sorten Tapas bestellt hatte beruhigte ich mich langsam. Das Essen war zum Greifen nah und deswegen bestellte ich auch direkt einen Wein dazu. Daniel der zuvor einen Kaffee bestellt hatte und diesen noch trinken wollte gesellte sich zu mir. Gemeinsam ließen wir uns über die unverständliche Entscheidung aus in den Beach Club zu gehen und er bestellte eine weitere Runde Tapas, da wir beide davon ausgingen, dass die drei Teller nicht reichen würden und wir sowieso alles teilen würden.

Als das Essen kam konnte ich mich kaum zurückhalten. Es war traumhaft. Definitiv die beste Entscheidung aller Zeiten. Ich hatte Pan con Tomate, Ceviche und Pescaditos fritos bestellt und es war göttlich… Ich konnte die zweite Runde, diesmal Muscheln, Croquetas, Garnelen und überbackener grüner Spargel, kaum abwarten. Nach und nach kamen die anderen zu uns rüber und beäugten unsere Tapas. Da setzte wohl der Futterneid ein, denn nach und nach häuften sich die „darf ich mal probieren“ Fragen. Irgendwann wurde es mir zu viel und ich wies die Beteiligten darauf hin, dass sie doch einfach auch etwas bestellen könnten und wir alle gemeinsam teilen könnten. Das taten sie dann auch umgehend. Gott sei Dank…

Glücklich und satt schaute ich aufs Meer und auf den Strand hinaus. Die Sonne ging unter und ich hätte schwören können, dass ich selten einen so wunderschönen Sonnenuntergang gesehen hatte. Es war einfach traumhaft.

Und obwohl  wir den ganzen Tag unterwegs waren und zwischen 25 und 30 km gelaufen waren (unsere Schrittzähler-Apps waren da jeweils unterschiedlicher Meinung), verabredeten wir uns noch für den Abend in einer Bar zurück in der Stadt. So kam es zu den Espresso Martinis… Aber wenn man in einer Bar mit live Musik (Guzzo) Salsa tanzt vergisst man eben ganz schnell mal wie erschöpft man eigentlich ist… Es war wirklich erstaunlich wie lange ich inzwischen brauchte um mich zu regenerieren, dabei war ich noch unter 30. Aber ich habe das Gefühl, dass nach dem 25. Geburtstag die Eingewöhnungsphase ins „echte“ Erwachsenenleben beginnt und dein Körper dir mitteilt, So mein Schatz die Partyzeit ist bald vorbei, aus einem Kater Tag mach´ ich dir zwei! Warts ab, wenn du die 29 übertrittst dann sind´s ganz plötzlich drei! Danke für die Mitteilung, die Message kam an. Aber ich denke ich werde sie noch eine Weile ignorieren. Sonst wird’s ja langweilig.

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