Unverhofft kommt oft…

Gegen 11 Uhr kam ich langsam wieder zu mir. Mein Kopf war noch ziemlich schwer und der Rest meines Körpers weigerte sich unter der Decke hervor zu bewegen. Ich glaube ich war die letzten Wochenenden zu viel unterwegs. Eigentlich würde ich gerne rausgehen und etwas Sonne tanken, aber es war noch etwas frisch draußen und unter meiner Decke war es so schön warm. Aber ich konnte es einfach nicht mit meinem Gewissen vereinbaren hier liegen zu bleiben, außerdem würde ein kleiner Spaziergang bestimmt meine Lebensgeister wieder wecken. Hier musste es doch irgendwo eine Art Wochenmarkt geben auf dem man etwas schlendern konnte. Eine kurze Pinterest Recherche später, fand ich mein Ziel für den Tag. Den Palo Alto Market. Ein Street Food Markt in einem von alten Mauern umgebenen Garten mit Live Musik und vielen Designerständen. Er lag zwar am anderen Ende der Stadt, aber das war genau was ich gesucht hatte. Also los!

Motiviert und gut gelaunt machte ich mich auf den Weg, das Wetter war auch heute wieder traumhaft schön und ich konnte mein Glück kaum fassen. Es war nicht zu warm, nicht zu kalt und auf dem Weg zur Location kamen mir schon die ersten Hipster entgegen. Wunderbar! Das war ein gutes Zeichen! Als ich um die Ecke kam erschreckte ich mich kurz. Die Schlange am Eingang war unfassbar lang! Es gab sogar Sicherheits-kontrollen und Absperrbänder. Doch etwas größer als zunächst vermutet. Aber dennoch, wenn eine Veranstaltung so viele Alternative anzieht, dann muss es gut sein. Also schnell hinten angestellt um nicht noch weiter hinten zu stehen. Zu meiner Überraschung ging es recht zügig voran. Zwischendurch stellte ich fest, dass die meisten Leute hier als Pärchen oder zumindest mit Freunden da waren. Wäre vieleicht besser gewesen ich hätte vorher jemanden gefragt. Naja zu spät, dann war ich halt lonely. Gibt schlimmeres. Und irgendwie hatte ich ein gutes Gefühl, gerade weil ich alleine da war. Der Sicherheitskontrolleur fragte mich: Una? Sola? Und ich antwortete überzeugt: Ja! Fühlt sich gut an. Und im Hof angekommen wurden meine Erwartungen sogar noch übertroffen.

Das Gelände war viel größer als gedacht. Um einige alte Industriehallen war ein verwinkelter Park angelegt worden auf dessen Wegen nun die verschiedensten Streetfood- Anhänger standen. Überall standen und saßen Menschen und entspannten. Aus einiger Entfernung konnte ich durch das Stimmengewirr Gitarrenklänge und typischen Spanischen Flamenco Gesang. Ich beschloss dem nachzugehen und folgte der Musik. Hinter der Halle war eine Art Waldpavillon angelegt worden, der komplett mit Sträuchern bepflanzt war. Darin stand ein Weinstand und eine kleine Bühne auf der gerade eine Frau im beigen Mantel und schwarzer Jeans laut sang, begleitet von einem gepiercten Gitarrenspieler. Wunderschön. Die Leute waren hier viel ruhiger und lauschten der Musik. Die Stimmung war gediegen und entspannt. Ich genoß die schöne Atmosphäre, als mein Riechorgan auf einmal eine Spur aufnahm…Kaffe! frisch gemahlener Kaffe! Wo??! Wo bist du??! Die Nase im Wind folgte ich dem unverwechselbaren Geruch und wäre beinahe zu weit gegangen, da sich davor eine kleine Menschentraube mit für spanische Verhältnisse erstaunlich großen Menschen gebildet hatte. Als richtige Deutsche hatte ich das dringende Bedürfnis mich ordnungsgemäß anzustellen, aber irgendwie war nicht ganz klar wo das Ende des Pulks war. Ich fragte also einfach die beiden jungen Männer vor mir, ob man sich hier für den Kaffe anstellen könnte. Sie drehten sich zu mir um und fingen an zu lachen. Ich konnte noch nicht ganz abschätzen weshalb diese Frage so amüsant war, aber ich musste einen ziemlich verwirrten Gesichtsausdruck aufgesetzt haben, denn Sergi, wie ich bald darauf erfuhr meinte nur (auf Spanisch): „Sorry, sorry, es ist nicht deinetwegen. Aber wir blockieren hier den Eingang damit unser Kaffe nicht verschüttet wird. Alex, stell dich mal breiter hin, sonst wirken wir unglaubwürdig!“ wieder schallendes Gelächter und ich, noch verwirrter als vorher. Was war den bei denen los? Und wieder:“ Sorry, sorry! was willst du trinken? Café con leche, Espresso?“ „Ah, Café con leche por favor!“ , na das war doch mal nett. Er drehte sich zu einem Dritten jungen Mann der an der Kasse stand und rief rüber: “ Eh Adrí! Uno más!“ Adría drehte sich um, lächelte kurz rüber und hob ganz selbstverständlich den Daumen hoch und gab die Bestellung auf. Hmmm… die sind irgendwie interessant…

Alex, Sergi und ich warten nun gemeinsam auf Adría und unseren Kaffe und solange überschütten mich die beiden mit Fragen, die ich brav beantworte. Scheinbar habe ich einen kolumbianischen Akzent, wenn ich Spanisch spreche. Das werden echte Kolumbianer vermutlich anders sehen, aber ich nehme das mal so an. Besser als einen deutschen Akzent zu haben, den ich bei mir eher vermutet hätte. Endlich wird mir das wertvolle Gut übergeben. Und das Ende auch noch geschenkt. Ah… das tut gut… und war dringend nötig! Es viel mir etwas schwer dem Sprachtempo der beiden Jungs zu folgen, da konnte Koffein nur helfen. Adría wollte den Standort wechseln und orderte die beiden anderen ihm zu folgen. Ich war erst unsicher, ob ich einfach mitgehen sollte, aber er tippte mir einfach auf den Arm und signalisierte mir ihm auch zu folgen. Wir liefen ein Stück weiter zum Eingang einer weiteren kleinen Halle in der Stände mit Delikatessen aufgebaut waren und blieben davor stehen. Es stellte sich heraus, dass alle drei Grafikdesigner waren und sich bereits seit ihrem gemeinsamen Studium kannten, Sergi war gerade gestern aus Bali zurückgekommen, wo er an einem Projekt gearbeitet hatte. Als sie merkten, dass ich mich für das Thema Kunst aber auch elektronische Musik interessierte, bombardierten sie mich mit Tipps und Ideen für Lokale. Sie fragten nach Deutschland und insbesondere Frankfurt und Berlin. Darüber kamen sie zu einer Anekdote über einen ihrer sehr guten Freunde Oskar, der scheinbar eine On- Off- Beziehung mit einer gewissen Angela führte, die scheinbar keiner der hier anwesenden wirklich gut leiden konnte. Alex wollte zu dem Thema nicht mehr viel sagen. Er wünsche den beiden viel Glück, aber nach dem was da passiert sei, habe er kein Verständnis mehr. Sergi hatte wohl einiges verpasst als er so lange auf Bali war. Er war schockiert und wollte wissen was sonst noch alles in seiner Abwesenheit passiert war. Und dann gab es kein Halten mehr. Es wurde mehr tratscht als bei jedem Mädelsabend den ich je mitgemacht hatte. Ich kannte zwar niemanden, aber meinem inneren Gossip Girl war das gleich! Adría war dabei eine große Hilfe. Unermüdlich erklärte er mir die zwischenmenschlichen Zusammenhänge und warum diese Infos so brisant waren. Die drei hatten sich so in Stimmung geredet, dass es sie nun zum Bierstand zog. Und mich auch. Ich wollte zwar eigentlich nur ein Wasser bestellen, aber das lag heute nicht mehr in meiner Hand.

Zwei Bier später wurde mir erklärt, dass sie eigentlich da sind um einen Freund zu sehen, der heute in der Band mitspielt. Wir gingen daraufhin zu einem anderen Stand der vor einer orangefarbenen Halle aufgebaut war, in der sich ebenfalls eine Bühne befand und bereits jetzt über Boxen 70s und 80s Musik gespielt wurde. Dieses Gelände war wirklich sehr verwinkelt. Ohne die drei würde ich später Schwierigkeiten haben hier wieder rauszufinden, dachte ich. Aber egal es läuft „September“ von Earth Wind and Fire! Ich kann einfach nicht anders und tanze ein bisschen vor mich hin. Das bleibt nicht unbemerkt und die drei Jungs machen mit. Adría ist scheinbar ein großer Oldies Fan und ist begeistert von meiner Textsicherheit und Tanzfreude. Wir nähern uns immer weiter der Bühne und tanzen und singen, als wären wir auf einer Party. Das steckt unsere Umgebung so sehr an, dass sich bald mehrere Frauengruppen unserer kleinen Tanz- Party anschließen und ich mir tatsächlich bald vorkomme wie auf einer Ladiesnight in einer Disko. Großartig! Als die Live- Band auftritt grüßen die drei noch schnell ihren Freund und wir gehen dann etwas weiter nach hinten, wo auch etwas mehr Luft ankommt. War ganz schön heiß geworden da vorne! Für einen Sonntagnachmittag geht das auf jeden Fall als Sport durch. Draußen entdecken wir etwas neues. Hodors Frankfurter Stand??!! What? In Spanien sind Frankfurter tatsächlich Würstchen. Und die drei finden das einfach zu witzig mit einer Frankfurterin Frankfurter zu essen. Als ich in meinen Frankfurter beiße werde ich auch noch nach meinen Erfahrungen mit den Frankfurtern der Frankfurter Boys gefragt und, ob die auch immer mit Senf und Ketschup serviert werden, diese Frage kam für mich so unerwartet, dass mir ein Stück fast im Hals stecken bleibt vor lachen. Das lauthals entgegnete „DEEP Throat!!“ macht meine seltsame Kreuzung aus Ersticken und Lachanfall nicht besser.

Jetzt gibt es für die Jungs kein zurück mehr! „Los geht´s wir wollen Tanzen gehen! Heute ist eine Gay-Party im Apolo! Das müssen wir hin bis 22 Uhr ist der Eintritt sogar umsonst. Und es ist immer Mega!“ Eigentlich bin ich von der Idee nicht so begeistert. Ich habe morgen schließlich meinen ersten Tag in der Kanzlei und sollte nicht total verkatert und übernächtigt dort aufkreuzen. Andererseits hatte ich gerade einfach zu viel Spaß, um den Abend einfach so zu beenden und meine drei neuen Freunde bestehen drauf. Da das Apolo sowieso in Richtung meiner Wohnung lag entschied ich mich die drei einfach im Taxi zu begleiten. Nach einer ausgiebigen Diskussionsrunde über das Für und Wider des Partymachens an einem Sonntag, ließ ich mich schließlich doch überreden und ehe ich mich versah standen wir vor der Garderobe des Apolo, wo eine Gruppe Kerle mit Barock- Perücken und weißen Pumphosen gerade ihre Jacken abgab. Natürlich sind sie alle in Topform und oben ohne. Ay, das geht ja gut los hier.

Dann der nächste Schock! Sergi hat sein Handy im Taxi liegen lassen! Na, toll so schnell war die Party auch wieder vorbei. wir gehen wieder raus und die Suche nach dem Smartphone beginnt. Glücklicherweise hat er die Suchfunktion aktiviert, sodass wir das Iphone schnell orten können. Jetzt muss der Taxifahrer nur noch rangehen…. Eine Reihe von Telefonaten bei Taxibehörden und der Feststellung, dass das Handy auf lautlos gestellt war, später, haben wir endlich den Taxifahrer an der Leitung. Sergi vereinbart mit ihm, dass er noch einen Kunden wegfährt und dann das Handy zu uns bringt. Was für ein Stress. Alle sind so erleichtert, dass Alex erst mal ins nächste Weingeschäft rennt um eine Flasche Wein zukaufen, die wir an Ort und Stelle trinken sollten. Was in Spanien übrigens ähnlich wie in den USA verboten ist. Was ich nicht wusste. Ich wunderte mich aber sehr warum die drei sich wie Dealer in eine Ecke stellten um den Wein zu trinken. Auf Nachfrage wurde ich aufgeklärt. Jeder von ihnen hatte deswegen bereits einen Strafzettel kassiert. Das wollte nach dem Erlebnis gerade niemand mehr. Verständlich. Und trotz dieses kleinen Schockmoments war die Stimmung immer noch auf Feiern eingestellt. Eigentlich sogar noch mehr als vorher! Wir gingen also zurück in den Club und wurden von RuPauls Covergirl empfangen. Ich kam mir vor wie in einer Parallelwelt! Alle waren bunt und verrückt angezogen, alle sahen gut aus, alle tanzten wild und an der Damentoilette war keine Schlange.

Als es dann doch halb 11 war entschied ich, dass es für mich reichte. Auch wenn ich gerne noch mit den Jungs geblieben wäre, rettete mich meine Vernunft vor einem schlimmen ersten Tag auf der Arbeit.
Fazit war für mich: Öfter mal alleine auf Veranstaltungen gehen und einfach mal Leute ansprechen. Bester Abend!

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